Auszug
Carl Gustav Jung: Liebe als psychische Triebkraft und Gottesbeziehung
Die «Liebe» ist aber andererseits ein Anthropomorphismus par excellence und, neben dem Hunger, die klassische psychische Triebkraft des Menschen. Sie ist, psychologisch gesehen, einerseits eine Beziehungsfunktion, andererseits ein gefühlsbetonter psychischer Zustand, der, wie ersichtlich, mit dem Gottesbilde sozusagen in eins fällt. Die Liebe hat unzweifelhaft eine triebhafte Determinante; sie ist Eigenschaft und Tätigkeit des Menschen, und, wenn die religiöse Sprache Gott als «Liebe» definiert, so besteht die große Gefahr, die im Menschen wirkende Liebe mit dem Wirken Gottes zu verwechseln.
Jung, C.G. Symbole der Wandlung. Zürich: Walter Verlag, 1952.