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Auszug

Friedrich Nietzsche: Philosophische Systeme

Nun sind philosophische Systeme nur für ihre Gründer ganz wahr: für alle späteren Philosophen gewöhnlich Ein großer Fehler, für die schwächeren Köpfe eine Summe von Fehlern und Wahrheiten. Als höchstes Ziel jedenfalls aber ein Irrthum, insofern verwerflich. Deshalb mißbilligen viele Menschen jeden Philosophen, weil sein Ziel nicht das ihre ist; es sind die Fernestehenden. Wer dagegen an großen Menschen überhaupt seine Freude hat, hat auch seine Freude an solchen Systemen, seien sie auch ganz irrthümlich: sie haben doch einen Punkt an sich, der ganz unwiderleglich ist, eine persönliche Stimmung, Farbe, man kann sie benutzen, um das Bild des Philosophen zu gewinnen: wie man vom Gewächse an einem Orte auf den Boden schließen kann. Die Art zu leben und die menschlichen Dinge anzusehn ist jedenfalls einmal dagewesen und also möglich: das „System“ ist das Gewächs dieses Bodens, oder wenigstens ein Theil dieses Systems,
Friedrich Nietzsche, Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen, in: Die Geburt der Tragödie. Aus dem Nachlaß 1869-1873, in: Nietzsches Werke. Taschen-Ausgabe, Bd. I, Leipzig: C.G. Naumann Verlag, 1906